Physiknobelpreis 1919: Johannes Stark

Physiknobelpreis 1919: Johannes Stark
Physiknobelpreis 1919: Johannes Stark
 
Der deutsche Physiker wurde ausgezeichnet »für die Entdeckungen des Doppler-Effekts an Kanalstrahlen und der Zerlegung der Spektrallinien im elektrischen Feld«.
 
 
Johannes Stark, * Schickenhof (Oberpfalz) 15. 4. 1874, ✝ Traunstein 21. 6. 195; 1892-98 Physikstudium, 1906-17 Professor für Experimentalphysik an den Universitäten von Hannover und Aachen, 1917-22 Universität Greifswald und Würzburg, 1933-39 Präsident der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt in Berlin, ab 1934-36 Präsident der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft.
 
 Würdigung der preisgekrönten Leistung
 
Johannes Stark wurde als Sohn eines Gutsbesitzers in der Oberpfalz geboren, studierte in München und schloss sein Physikstudium mit einer Arbeit zu »Untersuchungen über Ruß« ab. Starks frühe Forschungen betrafen vor allem die elektrischen Entladungserscheinungen in Gasen und 1905 gelang ihm die Entdeckung des Doppler-Effekts an Kanalstrahlen.
 
 Starke Effekte
 
Stark setzte diesen Doppler-Effekt 1906 in Bezug zur gerade veröffentlichten speziellen Relativitätstheorie Albert Einsteins (Nobelpreis 1921) und ein Jahr später zur Quantenhypothese, wodurch er zu einem der ersten Verfechter des noch umstrittenen Quantenkonzepts wurde. Mithilfe der Quantenhypothese erklärte er die ultraviolette Grenze der Röntgenbremsstrahlung. Und obwohl er mit manchen Interpretationen über das Ziel hinausschoss, formulierte er 1908 das fotochemische Grundgesetz, nach dem in fotochemischen Prozessen nur die Energie ganzer Lichtquanten umgesetzt wird.
 
1906 wurde Stark außerordentlicher Professor an der Technischen Hochschule Hannover. Nach ständigen Reibereien mit dem dortigen Ordinarius Julius Precht ging Stark 1909 als Ordinarius an die Technische Hochschule in Aachen. Hier konnte er nun in einem gut ausgestatteten Labor seine Forschungen fortsetzen. Er galt schon zu dieser Zeit als schwieriger Charakter, der sehr auf seine Prioritätsansprüche achtete und in wissenschaftlichen Diskussionen oftmals einen unangenehmen Ton anschlug. Gleichwohl wurde er als ein hervorragender Experimentalphysiker anerkannt, und er bestätigte diesen Ruf durch die Entdeckung des Stark-Effekts im Jahr 1913.
 
Dieser Effekt, die Aufspaltung der Spektrallinien im elektrischen Feld, ist die Entsprechung zum Zeeman-Effekt, der Aufspaltung der Spektrallinien im magnetischen Feld, der schon 1896 entdeckt worden war. Mithilfe der klassischen Physik war der Stark-Effekt nicht zu erklären. Aber etwa zur gleichen Zeit stellte Niels Bohr (Nobelpreis 1922) sein quantentheoretisches Atommodell vor, dessen Elektronen-Kreisbahnen wenig später von dem deutschen Physiker Arnold Sommerfeld durch die Ellipsenbahnen ergänzt wurden. Mithilfe des Bohr-Sommerfeld'schen Atommodells berechneten die deutschen Physiker Karl Schwarzschild und Paul Epstein den Stark-Effekt beim Wasserstoffatom und erhielten eine völlige Übereinstimmung der theoretischen mit den experimentell gefundenen Werten.
 
Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs verstärkte Starks Nationalismus und auch seinen Gegensatz zu Einstein, den er 1909 noch als Assistenten nach Aachen berufen wollte. Einstein als erklärter Pazifist und Internationalist wurde mehr und mehr zum Feindbild Starks. Gleichzeitig entfremdete er sich, trotz der Verleihung des Nobelpreises für Physik 1919, zunehmend von der übrigen Physikergemeinschaft. Seit 1914 war Stark mehrfach hierfür vorgeschlagen worden, letztlich erhielt er ihn für die Entdeckung der beiden erwähnten Effekte, eine letzte Anerkennung seiner Leistungen als Experimentalphysiker.
 
 Der akademische Außenseiter
 
Auch als Nachfolger von Wilhelm Wien (Nobelpreis 1911) an der Universität Würzburg geriet er schnell mit seinen Kollegen in Konflikt und bereits 1922 legte er, nach einem heftigen Streit in der Fakultät über die Habilitation eines seiner Schüler, protestierend die Professur nieder. In den folgenden zehn Jahren versuchte er mehrfach, wieder eine Professur an einer Hochschule zu erlangen, scheiterte aber stets am Widerstand seiner Kollegen, die ihn aufgrund seiner Ablehnung der neueren physikalischen Theorien für einen derartigen Posten als nicht mehr geeignet betrachteten. Stark arbeitete in einem kleinen Privatlabor in der Nähe von München. Ein von ihm 1927 vorgeschlagenes axiales Atommodell fand aber keinen wissenschaftlichen Widerhall.
 
Mit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten sah Stark, seit 1930 Mitglied der NSDAP, eine neue Chance gekommen. Nachdem er sich selbst aus der akademischen Physik ausgegrenzt hatte, war dies nun eine Möglichkeit, sich für die, wie er meinte, ungerechte Behandlung zu revanchieren. Gedankliche Nähe verband ihn mit Philipp Lenard (Nobelpreis 1905), der wie er die modernen Theorien ablehnte. Stark lehnte die Relativitäts- und Quantentheorie nun ebenso vehement ab, wie er sie ursprünglich gefördert hatte. Lenard hatte eine arische »Deutsche Physik« ins Leben gerufen, deren Basis die klassische Physik des 19. Jahrhunderts war. Auch er war als Gegner der Relativitätstheorie und der theoretischen Physik bekannt und dadurch ebenfalls zum akademischen Außenseiter geworden.
 
 »Diktator der Physik«?
 
Starks Bemühungen waren anfangs durchaus erfolgreich: Im April 1933 wurde er zum Präsidenten der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt ernannt, zusätzlich wurde er im Juni 1934 noch Präsident der »Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft«, einer der wichtigsten forschungsfördernden Institutionen. Sein Versuch, auch noch Vorsitzender der Deutschen Physikalischen Gesellschaft und zum »Diktator der Physik« zu werden, scheiterte unter anderem am mutigen Widerspruch Max von Laues (Nobelpreis 1914).
 
Sein Machthunger und autokratischer Führungsstil brachten ihn bald mit den nationalsozialistischen Machthabern in Konflikt, parteiinterne Intrigen wirkten sich zu seinem Nachteil aus und er musste seine Präsidentschaften wieder aufgeben.
 
Stark nutzte in den folgenden Jahren seinen Einfluss, um die Entwicklung der Physik in seinem und Lenards Sinne zu beeinflussen. Vor allem seine Stellung in der Notgemeinschaft hat er dazu genutzt, viele hoffnungsvolle Projekte, vornehmlich auf dem Gebiet der Kernphysik, abzublocken. Sein Kampf gegen die Theoretiker gipfelte in einem Hetzartikel, der sich namentlich gegen Werner Heisenberg (Nobelpreis 1932) richtete und zum Ziel hatte, dessen Berufung als Nachfolger von Sommerfeld zu verhindern. Dieses Ziel wurde tatsächlich erreicht, aber dieser vielleicht größte Erfolg der »Deutschen Physik« war auch gleichzeitig ihr letzter. Nach 1939 wurde sie ziemlich bedeutungslos, denn eine moderne Physik war ohne Relativitätstheorie nicht denkbar, und dies mussten auch die letzten Ideologen schließlich zugeben.
 
Stark hatte sich schon vor Kriegsbeginn zurückgezogen und trat kaum noch in Erscheinung. 1947 wurde er als Hauptschuldiger zu vier Jahren Zwangsarbeit verurteilt. In einem Berufungsverfahren wurde das Strafmaß abgemildert und Stark verbrachte seine letzten Lebensjahre auf seinem Gut Eppenstatt, wo er 1957 starb.
 
R. Hahn

Universal-Lexikon. 2012.

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